Die Google Privacy Sandbox unter der Lupe

Inmitten der fortwährenden Diskussionen nach Googles Ankündigung, Cookies von Drittanbietern abzuschaffen, wirbt das Unternehmen für seine Privacy Sandbox als praktikable Alternative. Mit dieser Initiative sollen Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes im Zusammenhang mit unzulässigem Tracking ausgeräumt und gleichzeitig gezielte Werbung in Googles Chrome-Browser ermöglicht werden. In der Post-Cookie-Ära will Google mit seiner Privacy Sandbox Standards für Ad Targeting, Messung und Betrugsprävention einführen, die Cookies durch fünf spezifische APIs ersetzen.

Während die Google-eigene Lösung auf der einen Seite zwar die Privatsphäre der Nutzer verstärkt schützen will, stellt sie die digitale Werbewirtschaft jedoch gleichermaßen vor erhebliche Hürden, da sie weitreichende technische und strategische Änderungen von Werbetreibenden, Publishern sowie der gesamten Werbeinfrastruktur erfordert.

IAB zeigt wesentliche Einschränkungen der Sandbox auf

Die „Tech Lab Privacy Sandbox Task Force“ des IAB hat nun eine umfassende Analyse verschiedener Anwendungsfälle innerhalb der Google Privacy Sandbox unter dem Namen „Fit Gap Analysis for Digital Advertising“ durchgeführt, um Verbesserungsmöglichkeiten aus technischer, betrieblicher, rechtlicher und Governance-Perspektive zu identifizieren. Dabei konzentrierte sich die Taskforce auf die Protected Audience APIs (PAAPI), die das cookielose Retargeting im Chrome-Browser ermöglichen sollen. Das Feedback zielt darauf ab, kritische Lücken in den Privacy Sandbox APIs aufzuzeigen und Lösungsansätze zu entwickeln, um diese zu adressieren.

Tom Peruzzi, Sprecher der Geschäftsführung Virtual Minds, begrüßt die unabhängige Prüfung sowie den nun folgenden notwendigen Dialog: „Was wir jetzt noch brauchen, ist eine rechtliche Klarstellung im Kontext der DSGVO und anderen Rahmenwerken. Dies – so würde man annehmen – hätte schon längst passieren sollen, immerhin reden wir hier von tausenden Manntagen Aufwand für alle an der programmatischen Strecke beteiligten Unternehmen. Ebenso wird zu prüfen sein, wie sich Werbung in den Systemen in Zukunft verteilt.“

Die Task Force analysierte die Fähigkeit der Privacy Sandbox, Anwendungsfälle der Online-Werbung in fünf Kategorien zu unterstützen:

  • Zielgruppenmanagement (z. B. Ausschluss-Targeting und Lookalike Modeling)
  • Auktionsdynamik (z. B. Frequency Capping und Second-Price-Auktionen)
  • Kreative Auslieferung und Rendering (z. B. Verwendung von VAST-Tags)
  • Reporting (z. B. Multitouch-Attribution und Abrechnung auf Basis von Kosten pro Aktion)
  • Interoperabilität (z. B. programmatische Anzeigenschaltung für User, die die Privacy Sandbox abgewählt haben)

Anwendungsfälle, die von der Sandbox nicht unterstützt werden, bei denen die Einführung jedoch keinen Verlust an bestehenden Möglichkeiten bedeuten würde, wurden nicht in die Bewertung einbezogen.

Aus dem Bericht der Task Force geht in erster Linie hervor, dass die meisten Anwendungsfälle innerhalb der Privacy Sandbox, wie z. B. Lookalike Modeling, Competitive Separation, VAST-Tags, Native Web Ads, Frequency Capping sowie verschiedene Methoden des Reportings, entweder ausdrücklich nicht unterstützt oder erheblich beeinträchtigt werden.

Die Einschränkungen, die sich aus der Privacy Sandbox sowohl für Advertiser als auch für Publisher ergeben, sind – wie die Analyse zeigt – gravierend.

Peruzzi erklärt: „Die Privacy Sandbox kann man als Paradigmenwechsel bezeichnen – dies bedeutet jedoch auch, dass bestehendes Kampagnen-Denken nicht mehr gilt. Weiterhin werden derzeit funktionierende Kampagnen, die auf Contextual-Targeting oder Identifiern basieren, mit Kampagnen innerhalb der Privacy Sandbox nicht harmonieren und auch nur bedingt vergleichbar sein. Hier ist on top der Tech Lab Initiative noch sehr viel zu tun.“

Folgen für Advertiser

Durch die Beschränkung des Datenzugriffs wird das gezielte Targeting und die Personalisierung von Werbung erschwert. Gleichzeitig beeinträchtigt die Verwendung aggregierter Daten die Messung des Kampagnenerfolgs und die effektive Verwaltung der Werbebudgets. Bedingt durch weniger präzise Zielgruppenansprache und erhöhten Wettbewerbs um Werbeplätze können Advertiser in Zukunft mit steigenden Kosten konfrontiert sein, was eine Anpassung von Budgets und Strategien erfordert und besonders für Werbetreibende mit begrenzten Budgets eine große Herausforderung darstellen kann.

Folgen für Publisher

Ebenso können die Monetarisierungsmöglichkeiten von Publishern durch die Einschränkungen des Datenzugriffs und der daraus resultierenden erschwerten Personalisierung beeinträchtigen werden, was darin münden kann, dass hochwertige Anzeigenplätze schwerer zu verkaufen sind. Sie können sich auf diese Weise gezwungen fühlen, ihre Geschäftsmodelle anpassen, indem sie alternative Strategien der Monetarisierung entwickeln, wie die Einführung neuer Werbetechnologien, die Diversifizierung der Einnahmequellen oder die Zusammenarbeit mit anderen Plattformen.

Die Privacy Sandbox kann man als Paradigmenwechsel bezeichnen - dies bedeutet jedoch auch, dass bestehendes Kampagnen-Denken nicht mehr gilt.

Auswirkungen auf das Programmatic-Ökosystem

Die Einführung der Privacy Sandbox durch Google hat zudem erhebliche Auswirkungen auf das gesamte Programmatic-Ökosystem, dessen Kern auf individuellen Benutzerdaten sowie Verhaltensweisen basiert und die Sandbox genau diese traditionellen Methoden der Datenerfassung und -nutzung in großen Teilen verhindert oder stark einschränkt.

Die Auswirkungen auf das gesamte Programmatic-Ökosystem sind erheblich, da die Privacy Sandbox traditionelle Methoden der Datenerfassung und -nutzung in großen Teilen verhindert oder zumindest stark einschränkt. Auf diese Weise können Werbetreibende möglicherweise nicht mehr so genau bestimmen, welche Anzeigenplätze für ihre Kampagnen am effektivsten sind, was zu einem insgesamt weniger wettbewerbsfähigen Werbemarkt führen kann.

Nach aktuellem Stand erfordert die Privacy Sandbox eine Neuausrichtung des Programmatic-Modells und eine umfassende Anpassung an die neuen Datenschutzstandards. Marktakteure müssen daher Lösungen finden, um weiterhin relevante und effektive Werbung zu liefern, während sie gleichzeitig die Privatsphäre und Sicherheit der Nutzer respektieren.

Fazit

Wie die Analyse des IAB Tech Labs zeigt, hat die Privacy Sandbox signifikante Folgen für die digitale Werbelandschaft und sowohl Sellside als auch Buyside werden durch die Einschränkungen in Bezug auf individuelle Benutzerdaten und Tracking-Möglichkeiten vor neue Herausforderungen gestellt: Werbetreibende müssen nun ihre Strategien anpassen, um effektive Targeting-Methoden zu entwickeln, während Publisher alternative Monetarisierungswege erkunden müssen.

Eine Zukunft ohne Cookies erfordert neue Lösungen und ein Umdenken, um der Privatsphäre der User gleichermaßen gerecht zu werden, wie den Ansprüchen und Anforderungen der Buy- und Sellside – dieser Umstand ist allen Marktakteuren bewusst. Ob die Privacy Sandbox jedoch der richtige Weg ist, wird sich erst mit der Zeit zeigen.

Das IAB Tech Lab hat die Werbeindustrie bis zum 22. März zu Feedback zu ihrer Analyse eingeladen, um dem Google Chrome-Team im Anschluss Rückmeldung zu den kritischen Lücken, die die Branche in den Privacy Sandbox-APIs sieht, zu geben.

„Wir werden in den kommenden Wochen sehen, wie sich die Fit Gap Analyse und daraus folgend auch die Privacy Sandbox entwickelt – Google selbst hat sich ja bereits zu dem Bericht geäußert. Es gilt auch abzuwarten, wie die CMA auf den Bericht reagiert. Sicher ist, dass jetzt eine spannende und hoffentlich richtungsweisende Zeit auf uns zu kommt“, erklärt Peruzzi.

++ Update ++

Am 27.06.2024 veröffentlichte das IAB Tech Lab die aktualisierte Version der Fit Gap Analyse und nahm darin Bezug auf das Feedback der Branche. Durch das Feedback und die entsprechende Evaluation der Use Cases veränderte sich bei einigen Cases die Klassifikation. Unsere aktualisierte Übersicht verdeutlicht alle Veränderungen.

Share this
This site is registered on wpml.org as a development site. Switch to a production site key to remove this banner.